Die „Neue Autorität“ – Ein pädagogisches Konzept.
Wir, Katharina Middendorf und Carolin Lampe, sind Studierende der Oberstufe und berichten in diesem Artikel über eine interessante Unterrichtserfahrung:
Im Rahmen des Pädagogik/Psychologie Unterrichts haben wir uns mit dem Thema „Neue Autorität“ beschäftigt. Da dieses Thema sehr komplex ist und wir uns die praktische Umsetzung einiger Aspekte schwer vorstellen konnten, schlug unsere Pädagogiklehrkraft vor, zwei Mitarbeiterinnen aus dem „Haus am Schlehenbusch“, einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Osnabrück, einzuladen, da dort seit drei Jahren schwerpunktmäßig nach diesem Konzept gearbeitet wird.
Über die Zusage zweier Mitarbeiterinnen haben wir uns als Klasse sehr gefreut, weil es uns während der Ausbildung immer viel gebracht hat, von Erfahrungsberichten zu profitieren. In der Vorbereitung für das Treffen sammelten wir in der Klasse die Fragen, die bei der Auseinandersetzung mit dem Thema im Unterricht aufgekommen waren. Natürlich waren wir auch auf Situationen aus dem Gruppenalltag gespannt.
Das Konzept der „Neuen Autorität“ basiert unter anderem auf sieben Säulen, die wir im Unterricht erarbeiteten.
Eine Säule ist die „Präsenz & Wachsame Sorge“. Für die Praxis bedeutet dies, dass die Mitarbeiter Probleme der Jugendlichen frühzeitig wahrnehmen und darauf reagieren.
Die Mitarbeiterinnen berichteten uns, dass im Haus am Schlehenbusch sogenannte „ Ankündigungen“ stattfinden, in denen sie den Jugendlichen zeigen, dass sie in Sorge um sie sind und ihnen damit gleichzeitig vermitteln wollen, dass sie etwas an ihrem Verhalten ändern sollten. Bei den Ankündigungen gehen einige Mitarbeiter in das Zimmer des betroffenen Jugendlichen und lesen einen Brief vor, in dem die Sorgen und Wünsche der Mitarbeiter zum Ausdruck kommen.
Nach wiederholten und starken Grenzüberschreitungen kann es zu einem „Sit in“ kommen, bei dem die Mitarbeiter ihre Präsenz und Wachsame Sorge dadurch zeigen, dass sie sich für eine bestimmte Zeit still in das Zimmer zu dem Jugendlichen setzen.
Bereits in der Theorie fanden einige von uns diese Methode fragwürdig, da sie in gewissen Maßen in die Privatsphäre der Jugendlichen eingreift. Auch nach der praktischen Erläuterung
wurde diese Maßnahme noch immer als sehr massiv empfunden, besonders dann, wenn Zeitintervalle und Personenanzahl sich erhöhen. Von Seiten der Mitarbeiterinnen wurde jedoch auch verdeutlicht, dass dies der letzte von insgesamt drei Vorgehensschritten ist und eher eine Ausnahmeintervention darstellt.
Eine weitere Säule ist die Wiedergutmachung als Prozess. Als Beispiel hierfür erklärten uns die beiden pädagogischen Fachkräfte die „Vorfallzettel“, die anonym geschrieben und öffentlich ausgehangen werden, wenn es zu respektlosem Verhalten innerhalb der Gruppe gekommen ist. Diese Zettel bleiben so lange hängen, bis der Jugendliche sich entschuldigt und Wiedergutmachung geleistet hat. Möglichkeiten der Wiedergutmachung sind die freiwillige Übernahme von Hausarbeiten oder das Backen eines Kuchens. Diese Art der Umsetzung stieß in der Klasse auf Zuspruch, weil so eine Eskalation vermieden wird, die Jugendlichen von sich aus Wiedergutmachung leisten und aus unserer Sicht das Prinzip „Konsequenz statt Strafe“ greift.
Zusammenfassend können wir sagen, dass dieser praxisnahe Unterricht sehr interessant und anregend war. Die beiden Mitarbeiterinnen waren sehr offen und haben unsere Fragen sehr umfangreich und anschaulich beantwortet, sodass wir uns das Konzept der „Neuen Autorität“ in der Praxis nun besser vorstellen können. Nicht nur unsere vorbereiteten Fragen, sondern auch die neu aufgekommenen beantworteten sie uns gerne.
Wir wünschen allen anderen Klassen, dass sie während ihrer Ausbildung ebenfalls viele Möglichkeiten bekommen, theoretischen Unterricht praxisnah erleben zu können.
Katharina und Carolin ( Oberstufe 2, Schuljahr 2013/2014 )